Wer wir sind Unser Name
Der Bund Neudeutschland
1919 1994
NEUDEUTSCHLAND wurde im Juli 1919 auf Initiative von P. Ludwig Esch SJ vom Kölner Kardinal
von Hartmann als Verband katholischer Schüler an höheren Lehranstalten gegründet, eigentlich als
Organisation zur außerschulischen kirchlichen Betreuung der Gymnasiasten.
Der Name wurde als Programm verstanden: Die Mitarbeit an der inneren Erneuerung Deutschlands nach
der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Die Fuldaer Bischofskonferenz erkannte den neuen Verband bereits im folgenden
Monat an. In rascher Folge bildeten sich nun an den Gymnasien neudeutsche Gruppen, oder schon bestehende
Gymnasialzirkel traten in den Verband ein. Beim ersten gemeinsamen Treffen in Köln Ende 1919 zählte der
Verband mehr als zehntausend Schüler in 103 Gruppen.
Als man nun daran ging, die konkrete Arbeit zu gestalten, gewannen die Ideen der Jugendbewegung
zunehmend an Einfluß. Diese hatte sich 1913 auf dem Hohen Meißner für die Autonomie der Jugend
ausgesprochen. Die Auseinandersetzung mit diesen Gedanken der "freien" Jugendbewegung bestimmte die Bundestage
Anfang der 20er Jahre. Mit dem HIRSCHBERGPROGRAMM auf der Burg Hirschberg im Altmühltal 1923
beschlossen formulierte der Bund seine eigene Position.
Aus den Ideen der Jugendbewegung griff er dabei vieles auf: Heimabend, Fahrt und Lager. Die
Pflege des Volksliedes sollte einen wichtigen Teil der Gruppenarbeit bilden. Ein wesentlicher Unterschied zur
freien Jugendbewegung lag aber darin, daß der Bund sich in das Leben der katholischen Kirche einband. Seine
Mitglieder verpflichteten sich zu einer an Jesus Christus orientierten Lebensgestaltung und zur Verantwortung
für ihre schulische Umwelt. "Lebensgestaltung in Christus in uns und in unserer Umwelt" gilt seither
als Leitsatz des Bundes. Daher kennzeichneten die Teilnahme an den Gemeinschaftsmessen, für deren Verbreitung
der Bund sich einsetzte, Christuskreise und Exerzitien die Spiritualität seiner Mitglieder.
Nach langen Diskussionen wurde dem Geistlichen im Bund nur die Rolle eines gleichgewichtigen
Partners neben dem Jungenführer zugewiesen, nicht, wie in anderen Verbänden, die des Gruppenleiters.
Damit schuf NEUDEUTSCHLAND ein neues Modell moderner, d. h. selbstbestimmter, katholischer
Jugendführung. Diese Verbindung von Prinzipien der Jugendbewegung und der Kirchlichkeit verstand man als
Gegenentwurf zur freien Jugendbewegung. Ihr sollte in der Sprache der Zeit eine "gesunde", eine
katholische Bewegung gegenübergestellt werden.
Die Führer der Jugendbewegung sahen die Jugendzeit als eine in sich abgeschlossene
Lebensphase. So hatten auch P. Esch und die Leitung des Bundes zunächst angenommen, die neudeutschen
Schüler würden nach ihrem Abitur in die bestehenden Korporationen gehen und ihre Vorstellungen dort
einbringen. Dies ließ sich aber nur an wenigen Orten realisieren. Daher schlossen sich die Abiturienten, die
aus dem Schülerbund jetzt "Jüngerenbund" genannt ausschieden, zu einem Älterenbund
zusammen. In diese neue Organisation konnten dann auch diejenigen Neudeutschen aufgenommen werden, die nach dem
Abitur einen Beruf erlernten. Damit war der BUND NEUDEUTSCHLAND zu einer umfassenden "Lebenswegung" geworden.
In dem ersten Jahrzehnt nach seiner Gründung entwickelte sich der Jüngerenbund zu einem
großen, in ganz Deutschland verbreiteten Schülerverband. Anfang 1933 zählte er 21 000 Mitglieder.
Sein Fortbestehen in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wurde zunächst durch das
Reichskonkordat gesichert. Dennoch verboten die neuen Machthaber sehr bald dem Bund, in der Öffentlichkeit
aufzutreten und beschränkten seine Aktivitäten auf den kirchlichen Raum. Viele Gruppen wurden
überdies von örtlichen HJEinheiten terrorisiert. Nachdem die HJ zur Staatsjugend, dem einzigen
legalen Jugendverband, erklärt worden war, wurde der BUND NEUDEUTSCHLAND 1939 verboten. Viele Gruppen hielten
aber auch nach dem Verbot den Kontakt untereinander aufrecht. Und einige Mitglieder des Bundes leisteten unter
Einsatz ihres Lebens aktiven Widerstand gegen das Unrechtsregime. Von ihnen seien besonders genannt Willi Graf, der
an den Aktionen der "Weißen Rose" in München beteiligt war, und P. Alfred Delp SJ, der wegen seiner
Mitarbeit im "Kreisauer Kreis" hingerichtet wurde.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fanden sich vielerorts die Neudeutschen, nun ein wenig
älter geworden, in ihren Gruppen wieder zusammen. Manche aus den Ostgebieten vertriebene Bundesbrüder
suchten in den westdeutschen NDGruppen eine neue Heimat. P. Esch baute zusammen mit früheren
Gruppenkaplänen auch den Jüngerenbund wieder auf und das gegen den erheblichen Widerstand mehrerer
Bischöfe, die lieber die kirchliche Jugendarbeit in Form der Pfarrjugend verwirklicht hätten. 1947
schlossen sich neudeutsche Studenten zu einem eigenen Hochschulring zusammen.
Als man sich 1948 zum erstenmal nach dem Krieg in Bad Brückenau zu einem Bundestag
zusammenfand, stand man daher vor der Aufgabe, die Struktur des Bundes den neuen Entwicklungen anzupassen. Man
mußte in den einen Bund die drei Altersgruppen integrieren. Der Bundestag griff auf die Idee der
"Lebensbewegung" zurück und verwirklichte sie mit der Gründung des einen Bundes in drei
Gemeinschaften: Jungengemeinschaft Hochschulring Männerring.
Zum anderen mußte das HIRSCHBERGPROGRAMM von 1923, das nur für Schüler
entworfen war, auf die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur durchgedacht werden. Das
neugefaßte Programm verpflichtete jeden Neudeutschen darauf, Verantwortung auf religiösem, kulturellem,
wirtschaftlichem, politischem oder sozialem Gebiet zu übernehmen: man wollte der neuen Sicht einer
religiösen Verantwortung in einer demokratischen Gesellschaft gerecht werden.
Die Jungengemeinschaft knüpfte allerdings an die überkommenen Lebensformen des alten Jüngerenbundes
an 1948 hatte sich das Bild jugendgemäßen Bundeslebens gegenüber früher noch nicht
wesentlich verändert.
Hochschulring und Männering hingegen formulierten als ihr Leitbild die Idee des mündigen Christen,
für den das Engagement in der Welt Verpflichtung ist. Gegenüber der mehr persönlichprivaten
Spiritualität einer "Lebensgestaltung in Christus" ein neuer entscheidender Akzent.
Im Jahre 1965 entschloß sich der Bund angesichts der Veränderungen in Kirche und
Gesellschaft, vor allem unter dem Eindruck des Vatikanischen Konzils, zu einer weiteren Überarbeitung des
HIRSCHBERGPROGRAMMS. In der neuen Fassung ist stärker noch als bisher die Verantwortung des Neudeutschen
für die Entwicklung in Staat, Gesellschaft und Völkergemeinschaft betont und seine Rolle als
mündiger und mitverantwortlicher Christ in der Kirche hervorgehoben
Nachdem die Schülergemeinschaft und der Hochschulring sich mit den entsprechenden Organisationen des Heliand zu einer
"Arbeitsgemeinschaft Katholische Studierende Jugend" zusammengeschlossen hatten, formierte sich die KSJ unter dem
Einfluß der allgemeinen Schüler und Studentenbewegung von 1968 als ein Verband, der ein politisch
verstandenes Christentum in Schule und Hochschule zu realisieren versuchte. Dabei ging die Leitung der KSJ davon
aus, daß eine direkt politisch arbeitende Lebensgemeinschaft ohne eine Standortbestimmung nicht auskommen
könne und formulierte zur Konkretisierung des 1965 verabschiedeten HIRSCHBERGPROGRAMMS 1972 ihre
"Theologischen Grundsätze" und zwei Jahre später die "Gesellschaftspolitische Beschreibung" (Plattform
l/ll). Diese Texte leiteten auch bei den beiden anderen Gemeinschaften Diskussionen über das eigene
Selbstverständnis in der aktuellen Situation ein, (Rothenfelser Erklärung des
HSR 1980, Leitlinien der KMF 1980).
Die Aufnahme von Mädchen in die KSJGruppen stellte den Männerring vor eine weitere
Grundsatzfrage. Schon längst spielten Frauen im Leben der NDGruppen eine bedeutende Rolle. 1980
öffnete er seine Reihen aus dem Männerring wurde die "Gemeinschaft
Katholischer Männer und Frauen" (KMF).
Die politische Ausrichtung der Arbeit in der KSJ hatte in den 70er und Anfang der 80er Jahre zu
einer erheblichen Polarisierung zwischen der KSJ und dem Männerring geführt, die erst in den letzten
Jahren wieder abgebaut werden konnte.
Der diesjährige Bundestag [Anm.: 1994] in Benediktbeuern aus Anlaß des 75. Geburtstages des BUND
NEUDEUTSCHLAND gemeinsam gestaltet von KSJ, KMF und
HeliandBund ist ein Versuch, die Vorstellungen der drei Gemeinschaften über die Entwicklung unserer
Gesellschaft, der Welt und der Kirche voreinander zur Sprache zu bringen und zu diskutieren. Insofern erhoffen wir
uns von diesem Bundestag und auch von der Diskussion über den Neuentwurf des HIRSCHBERGPROGRAMMS, das nun 25 Jahre nach seiner letzten Fassung erneut auf den
Prüfstand gestellt wird.